- 2004 Erhaltungssatzung

Seit März 2006 steht die "Westliche Riederwaldsiedlung" als Gesamtanlage unter Denkmalschutz. Gemäß § 2 Abs. 2 (2) sind Kulturdenkmäler Straßen-, Platz- und Ortsbilder einschließlich der mit ihnen verbundenen Pflanzen, Frei- und Wasserflächen, an deren Erhaltung insgesamt aus künstlerischen oder geschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht (Gesamtanlagen). Nicht erforderlich ist, daß jeder einzelne Teil der Gesamtanlage ein Kulturdenkmal darstellt. In der Liste der Hess. Denkmäler http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/ kann man nach einzelne Adressen in der Riederwaldsiedlung suchen - wie z.B. Max-Hirsch-Straße 55 aber auch die Pestalozzischule (Vatterstraße 1), Engelsplatz oder die alten Häuser am Erlenbruch. _____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

2004 Erhaltungssatzung Nr. 43 für die westliche Riederwaldsiedlung

Die Stadt Frankfurt erließ nach jahrelangem Bemühen im Jahr 2004 die Erhaltungssatzung Nr. 43 für die westliche Riederwaldsiedlung – mit einer sehr genauen Beschreibung des Zustands der Siedlung: eine kunsthistorische Analyse der Häuser, einer soziologischen Bestandsaufnahme der Situation der hier lebenden Menschen und auch den Zielen. Eine Erhaltungssatzung ist ein behördlicher Eingriff in die Verfügungsrechte des Eigentümers. Eigentum genießt nicht nur einen hohen Schutz im Grundgesetz (GG) – es verpflichtet auch. Und in solchen Fällen hat das GG Eingriffsrechte des Staates zugelassen. Erhaltungs- und Denkmalschutzsatzungen sind solche Instrumente, wenn damit der Schaden für das Gemeinwohl verhindert werden kann.


Seite 1 des flyers "Erhaltungssatzung Nr. 43, Westliche Riederwaldsiedlung


 

Die Stadt erhoffte sich damit eine bessere Zusammenarbeit mit der Genossenschaft, zur Sicherung
- des Erhalts der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt sowie
- des Erhalts der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung.

Der Vorstand des VBS blieb davon allerdings unbeeindruckt und war sich offenbar sehr sicher, dass er seine Ziele auch gegen den Widerstand der Bevölkerung und der städtischen Verwaltung, der wachsenden Zahl der Kritiker in Politik, Wissenschaft und den Medien aussitzen könne – und letztendlich seine Ziele doch durchsetzen würde:
Abriss des „Gelärsch“
(Gelärsch = Kram, Gerümpel, Zeug auf hessisch) und rentable Neubauten (O-Ton Tokarski sen.). Der Stadt blieben diese Bestrebungen natürlich nicht verborgen.


 

Magistratsvortrag M137 vom 16.07.2004

ÜBERSICHTSKARTE


(nicht maßstäblich, dient nur zur Information)

 

Ziel der Satzung ist die Sicherung des Erhalts der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt sowie des Erhalts der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung.

Ausschlaggebend für den Erlass der Erhaltungssatzung ist der Zustand der Bausubstanz in der westlichen Riederwaldsiedlung mit hohem Instandsetzungs- und Modernisierungsbedarf.

Die westliche Riederwaldsiedlung – von 1908 bis 1914 geplant und gebaut - ist das erste Beispiel einer geschlossenen Wohnsiedlung mit wohnungsbezogener Infrastruktur in Frankfurt. Sie ist auch heute noch durch eine einheitliche Bau- und Nutzungsstruktur mit reinem Wohnanteil gekennzeichnet. Der Wohnungsbestand zeichnet sich durch ein im städtischen Vergleich unterdurchschnittliches Preisniveau aus. Aufgrund des Alters und des Ausbaustandards der Gebäude gibt es einen erheblichen Modernisierungsbedarf.


In der Vergangenheit wurden erste Maßnahmen zur Instandsetzung und Modernisierung der Wohngebäude durchgeführt. Dies erfolgte z.T. auch mit städtischen Fördermitteln. Der Magistrat beabsichtigt, auch zukünftig Mittel zur sozialen Abfederung der notwendigen Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Dennoch ist davon auszugehen, dass angesichts des Umfangs der zu bewältigenden Sanierungsaufgabe und begrenzter öffentlicher Mittel in erheblichem Maße auch freifinanzierte Modernisierungen erforderlich sind. Diese Entwicklungen lassen eine Veränderung der Mieter- und damit der Siedlungsstruktur befürchten.

Die städtebauliche Struktur des Siedlungsbereichs ist entscheidend durch die aufgelockerte, freiflächenorientierte Wohnbebauung mit einem kleinen aber wichtigen versorgungsstrukturellen Mittelpunkt geprägt. In der aktuellen Einzelhandeluntersuchung wird auf die nicht unbedeutende Ergänzungsfunktion der kleinstrukturierten Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe in Streulagen der Riederwaldsiedlung hingewiesen. Mit der Erhaltungssatzung Nr. 43 - Westliche Riederwaldsiedlung soll deshalb der Erhalt der Siedlung gewährleistet sowie die sozialverträgliche Erneue.rung und Verbesserung des Gebäudebestandes unterstützt werden.

 


 

Städtebauliche und sozialstrukturelle

Analyse sowie Anwendungsleitlinie

zur

Erhaltungssatzung Nr. 43

Westliche Riederwaldsiedlung


A. Städtebauliche Situation

Die westliche Riederwaldsiedlung ist in ihrer baulichen Gestaltung und in ihren Außenanlagen vollständig erhalten und im Stadtbild eindeutig als Siedlungseinheit erkennbar. Der Bereich östlich des Johanna-Tesch-Platzes und westlich der Rümelinstraße wurde als genossenschaftlicher Siedlungsbau errichtet. Er ist Beispiel eines frühen sozialen Wohnungsbaus (vor 1925) mit ersten Ansätzen einer Minimierung und Rationalisierung der Wohnungsgrundrisse bei gleichzeitig hohen Ansprüchen an Hygiene, Gebrauchswert, Maßstäblichkeit und Lebensqualität.

Vorbildlich und ideologisch getragen vom „Gemeinschaftsgeist“ war die Errichtung von Gemeinschaftseinrichtungen, wie Waschküche und Trockenböden in den Häusern und Nutzgärten in den Wohnhöfen sowie der Einrichtung eines Kindergartens, eines Spielplatzes, einer Bibliothek, eines Volkshauses als Versammlungsstätte, einer Gaststätte sowie Läden für den täglichen Bedarf. Die Konzeption fußt auf den Ideen der Gartenstadtbewegung und den Einflüssen des Stadtplaners Camillo Sitte, der den „künstlich gestalteten Städtebau“, mit geschwungenen, differenzierten Straßen, kleinen Platzausbildungen, perspektivischen Durch- und Ausblicken, Anpassung an natürliches Gelände sowie asymmetrische Grundrisse und Eckgestaltung bei Vor- und Rücksprüngen der Gebäudefluchten propagierte. In seiner Ausformung stellt sich der Siedlungsbau in der Riederwaldsiedlung als „heimatliche Umsetzung“ in überwiegend dreigeschossiger Landhausbauweise mit historischen Architekturzitaten vom Jugendstil über Neobarock bis Neoklassizismus dar. Das Gefüge dieser modellhaften Stadterweiterung ist somit durch eine Vielfalt von Typen, Gruppen und Varianten geprägt, wobei die naturräumlichen Gegebenheiten bei der Planung eine große Rolle spielten. Mit Hilfe eines ausgeklügelten Baukastensystems wurde ein einerseits vielfältiges, dennoch insgesamt homogenes Erscheinungsbild erzielt. Im Jahre 1926 wurde auf dem ursprünglich als Spielplatz vorgesehenen Grundstück Schulze-Delitzsch-Straße 22-28 eine Hauszeile mit expressionistischen Architekturmerkmalen errichtet, die sich in den Bestand gut einfügt, da auch hier das Prinzip der Reihung und Zusammenfassung von zwei äußeren Einfamilienhäusern und zwei innenliegenden Mehrfamilienhäusern angewandt wurde. Insgesamt wurden 238 Häuser, davon 40 Einfamilienhäuser mit ca. 626 Wohnungen gebaut. Anfang der 70er Jahre wurden ca. 30 % des Bestandes zwischen der Straße Am Erlenbruch und der Schulze-Delitzsch-Straße abgerissen und durch eine Wohnhochhausbebauung ersetzt.

Vor der Ära des Städteplaners und Wohnungsreformers der Moderne Ernst May kommt dieser Siedlung als früher Beitrag zur Frankfurter Siedlungs- und Architekturgeschichte eine hohe städtebauliche Bedeutung zu.

 

Siedlungsbild und Baustruktur

Der Siedlungsgrundriss und die Anlage der Häusergruppen orientieren sich an räumlichen Gegebenheiten als auch an den Prinzipien der Gartenstadtbebauung.

Im Norden bildet die breite, leicht geschwungene ehemals als Promenadestraße vorgesehene Verkehrsstraße „Am Erlenbruch“ mit Straßenbahntrasse (U7) und Baumallee den nördlichen Abschluss der Siedlung. Sie folgt dem natürlichen Verlauf des Erlenbruchs, dem Rest eines Mainentwässerungsgrabens. Die schmaleren Quer- und Parallelstraßen erschließen als sanft geschwungene Wohnstraßen durch kleine Grünflächen sich teilend oder versetzt angeordnet die unterschiedlich großen „Grundstücksblocks“. Am östlichen Rand waren sämtliche Gemeinschafts- und Versorgungseinrichtungen konzipiert. Als „Marktplatz“ mit Läden, Gaststätte und Volkshaus sollte hier ein kleines Zentrum (Max-Hirsch-Straße ) entstehen. Heute steht dort das „Haus Riederwald“ und einige Ladengeschäfte. Ein Teil des Platzes wird als Parkplatz genutzt. Die Siedlung grenzt im Süden an den Riederwald.

Die „Grundstücksblocks“ sind mit vor- und zurückspringenden Häusergruppen (3-geschossig) bebaut, deren Innenhöfe ehemals als Nutzgärten für die Bewohner aufgeteilt waren. Die aneinandergereihten Mehrfamilienhäuser verfügen jeweils über 2-6 Wohneinheiten mit separaten Eingängen und jeweils 1 Wohnung pro Geschoss. Das System der Reihung und Zusammenfassung wurde auch bei den Einfamilienhäusern angewandt. Sie sind zu 4 gereihten Häusern in 2-geschossiger Bauweise mit jeweils 1 separaten Eingang zusammengefasst. Durch die unterschiedliche Reihung sowie durch viele Details unterscheiden sich die jeweiligen Häusergruppen.

Einen wesentlichen Gestaltungsanteil nehmen die voluminösen steil aufsteigenden Mansard(walm)dächer ein. Sie werden von Zwerchhäusern, Giebeln mit Krüppelwalm und Fußwalm durchschnitten bzw. begrenzt. Markant sind auch die Hauseingangsbereiche als Doppeleingänge bei nebeneinander liegenden Treppenhäusern oder als Einzeleingänge mit als Wetterschutz dienenden Vordächern als Pult- oder Walmdach ausgebildet. Durch kleine aber vielfältige Unterschiede in Gestaltung, Material in den Dachformationen, Fassadengliederungen in den Eingangsbereichen sowie der Anlage der Fenster wurde einer Siedlungsmonotonie entgegengewirkt und es entstand ein traditionelles Gestaltungsbild einer „heimatlichen, malerischen Landhaus- und Villenarchitektur".

Das Gebiet wird als ein intakter Teilbereich eines Stadtteiles gesehen, in dem ein konfliktfreies Nebeneinander verschiedener Bevölkerungsgruppen, die auf preiswerten, citynahen (gute ÖPNV-Verbindung) Wohnraum angewiesen sind, möglich ist.


 

B. Sozialstrukturelle Situation

In einer vom Magistrat durchgeführten Voruntersuchung wurde anhand des so genannten „Nürnberger Kriterienkatalogs“ die soziale Bevölkerungsstruktur der westlichen Riederwaldsiedlung überprüft. Diese Kriterien werden im weiteren noch ausführlicher behandelt.

Die Voruntersuchung bestimmte in einer zweistufigen Analyse zunächst auf Grundlage der amtlichen Statistik die soziale Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Anschließend wurden in einer schriftlichen Bewohnerbefragung weitere Daten zur Haushaltsstruktur, Wohndauer, Einkommensverhältnissen und Miethöhe ermittelt. Der Bericht fasst die Untersuchungsergebnisse folgendermaßen zusammen:

1. „Die Hälfte der Bewohner der Siedlung Riederwald lebt schon mehr als 20 Jahre dort, knapp zwei Drittel länger als 10 Jahre. Durch diese lange Wohndauer und die sich daraus ergebenden Bindungen an das Gebiet würde ein Verdrängung schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben und Hilfestellungen durch die Stadt Frankfurt erfordern, um diese Veränderungen zu vermeiden oder abzumildern.

2. Sowohl soziale Indikatoren aus der amtlichen Statistik wie auch die Selbstauskunft der Bewohner in der Befragung zeigen, dass ein großer Teil der Haushalte in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, durch die sie auf preiswerten Wohnraum angewiesen sind.

3. Ein relativ großer Teil der Haushalte in der Siedlung Riederwald ist zudem in persönlich ungünstigen Lebensverhältnissen, (. .). In Kombination mit dem überwiegend relativ geringen Einkommen würden diese Bewohner der Siedlung Riederwald durch eine deutlich höhere Miete verdrängt und voraussichtlich nicht ohne öffentliche Unterstützung und Transferleistungen ein anderes gleichwertiges Zuhause finden.

4. Durch den deutlich geringeren Motorisierungsgrad und die relative Einkommensschwäche eines Teils der Bewohner der Siedlung Riederwald kommt dem unmittelbaren Wohnumfeld und die Lage der Siedlung zum Park eine große Bedeutung für die Wohnzufriedenheit und die Bindung an das Gebiet zu. Wohnen und Erholung/Freizeit in nächster räumlicher Nähe kompensieren die durch Einkommensschwäche oder Alter eingeschränkte Mobilität. In der Befragung spiegelt sich dies wieder in den Best-Noten, welche die Bewohner der „Lage“ und der „Verkehrsanbindung“ gegeben haben.

5. Die Bindungen der Bewohner zum Gebiet sind sehr hoch, und auch die Nachbarschaftsbeziehungen werden überwiegend positiv beurteilt. Die bei der Durchführung der Untersuchung gewonnenen Eindrücke in der Siedlung Riederwald spre.chen zudem für ein starkes Netz von Kommunikation und Nachbarschaftshilfe. Dieses aus der überwiegend langen Wohndauer erwachsene Netzwerk würde bei stärkeren sozialstrukturellen Veränderungen der Siedlung Riederwald vor eine Zerreißprobe stellen.“


 

Die in der Untersuchung analysierten Indikatoren machen
die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Siedlung transparent,
sie werden anschließend näher erläutert:

Geringe Einkommen können Immobilität, verstärktes Angewiesensein auf bestimmte Hilfs- und Selbsthilfeeinrichtungen und auf ein preisgünstiges Wohnungs.angebot begründen. „Die nachfolgende Übersicht zeigt, dass jeder fünfte Haushalt, der an der Erhebung teilgenommen hat, über ein geringeres Einkommen als 1.000 € im Monat verfügt und über 60 % der Haushalte mit einem Monatsein.kommen von weniger als 1.500 € auskommen müssen.“

 

„Untersucht man die Haushalte nach der Stellung im Beruf des Haushaltsvorstandes, ergibt sich, dass 67 % der Haushalte (. .) am Erwerbsleben beteiligt sind – mit 7 %-Punkten ist der Anteil der Arbeitslosen jedoch recht hoch. In knapp jedem zehnten Haushalt befindet sich der Haushaltsvorstand in Ausbildung oder Umschulung. Hierin könnte sich versteckte Arbeitslosigkeit ausdrücken.“


„Dass es sich bei den Haushalten, in denen das Haushalts“oberhaupt“ Angestellter ist, nicht um Spitzenverdiener der Branche handelt, durfte nach dem Wohnungsgemenge, aber auch dem baulichen Zustand der Siedlung Riederwald durchaus erwartet werden. Überraschend ist jedoch, dass lediglich 9 % ein Einkommen über 1.500 € haben. Die These, dass die soziale Struktur von „kleinen Angestellten“ geprägt ist, findet in den Ergebnissen der Erhebung ihre Bestätigung.“ Dies belegt, dass im Satzungsgebiet nicht nur eine beachtliche Gruppe finanziell weniger starker Haushalte lebt. Auch

zeigte sich während der Befragung, dass die Anzahl der Personen in „prekären Beschäftigungsverhältnissen“ mit erhöhtem Arbeitsplatzrisiko vergleichsweise hoch ist.

Altersstruktur und lange Wohndauer liefern Indizien für die Identifikation der Bewohner mit ihrem Gebiet und weisen gleichzeitig auf schwerwiegende Folgen eines unfreiwilligen Standortwechsels hin.Der Altersaufbau im Satzungsgebiet unterscheidet sich von dem im Bezirk Riederwald und der Gesamtstadt signifikant. Stark unterbesetzt sind die Altersgruppen von Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren, wenn man als Referenzgröße den städtischen Durchschnitt oder auch den Bezirk Riederwald heranzieht. Überrepräsentiert ist der Anteil der Bewohner im Erwerbsalter (15- bis 65-Jährige): knapp drei Viertel der Bewohner des Satzungsgebietes gehören hierzu.“

Die Daten können dahingehend interpretiert werden, „. .dass – sei es aus Gründen, die in der Struktur des Wohnungsangebotes liegen, sei es als Ergebnis einer bestimmten Mitgliederstruktur und Belegungspolitik der Genossenschaft – die Bewohnerstruktur stark von familiär Ungebundenen und Singles bestimmt ist. Die Folgerungen für den Städtebau sind (. .): Die rückläufige Bewohnerzahl, die starke Ausprägung der mittleren Altersgruppen und die – vermutlich – große Anzahl von Single-Haushalten reduzieren die Anforderungen an spezifische Infrastrukturen und Wohnfolgeeinrichtungen bezogen auf die Mantelbevölkerung im Satzungsgebiet. Dies gilt insbesondere für Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, aber auch z.B. für den erforderlichen Umfang sozialer Dienste etwa für Ältere. Massive Änderungen der sozialen Struktur würden neue – zusätzliche und/oder geänderte – Infrastrukturanforderungen und Erfordernisse an Wohnfolgeeinrichtungen bedeuten.“

 Darüber hinaus lassen sich aus der Wohndauer Rückschlüsse auf die Identifikation der Bewohner mit Ihrer Siedlung ziehen: „Mehr als die Hälfte der Haushalte, die sich an der Befragung beteiligt haben, sind bereits seit über 20 Jahren in der Siedlung Riederwald wohnhaft (. .) innerhalb der Siedlung bereits einmal umgezogen ist ein beträchtlicher Anteil, denn „nur“ 23 % der Befragten wohnt schon länger als 20 Jahre in der gleichen Wohnung - immerhin 48 % länger als 10 Jahre. Eine Wohndauer unter zwei Jahren im Riederwald geben 10 Haushalte an.“

Daran wird deutlich, dass trotz eines vergleichsweise überproportionalen Anteils an aktiver und in der Regel eher unabhängiger Erwerbsbevölkerung, eine hohe emotionale und soziale Bindung der Bewohner zum Wohngebiet besteht.


Das Satzungsgebiet enthält nahezu ausschließlich Mietwohnungen mit günstigen Mieten und einfacher Ausstattung. Die homogene Siedlung besteht derzeit aus 48 Wohngebäuden mit 455 Wohnungen, davon 410 Wohnungen für 1-2 Personen und 45 Wohnungen für 3-4 Personen. Die Wohnungen werden ausschließlich an Genossenschaftsmitglieder vermietet. In der Untersuchung gaben 72 % der Mieter an, eine monatliche Kaltmiete zwischen 3 – 6 € je Quadratmeter Wohnfläche zu zahlen. Dies liegt weit unter der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Frankfurter Mietspiegel 2002, der für eine durchschnittliche Riederwälder Wohnung als Basisnettomiete 7,41 € (ohne Abschläge) angibt. Allerdings „. . ein Drittel der befragten Haushalte im Riederwald hat Ofenheizung und einfach verglaste Fenster“. Angesichts des weitgehend einfachen Ausstattungsstandards (ohne Berücksichtigung von Mietermodernisierungen) kann trotz geringer Einkommen von einer im Frankfurter Vergleich geringfügig unterdurchschnittlichen Mietbelastung ausgegangen werden. Immerhin haben nach den Ergebnissen der Voruntersuchung eine „Mietbelastung von über 25 % des Monatseinkommen (. .) mindestens 30 Prozent der Haushalte mit einem Einkommen von unter 1.000 € monatlich, und 22 % der Haushalte mit einem Monatseinkommen zwischen 1.000 und 1.500 € haben eine Kaltmietbelastung von über 20 % ihres Einkommens.“ Die Befragungsergebnisse machen deutlich, dass wenn auch das Mietenniveau als preiswert anzusehen ist, für eine zusätzliche Mietbelastung der Siedlungsbewohner nur ein begrenzter Spielraum besteht.

Für bestimmte Problemgruppen können sich durch den Beziehungsverlust nach einem (erzwungenen) Umzug schwerwiegende soziale Folgeprobleme ergeben. So ist in 8,4 % der Riederwälder Haushalte mindestens 1 Haushaltsmitglied von Arbeitslosigkeit betroffen. In solchen Haushalten leben knapp 10 % der Kinder im Riederwald. Stärker als Arbeitslosigkeit ist aber die Siedlung Riederwald Zuflucht für Alleinerziehende. Knapp zehn Prozent der Haushalte sind solche von Alleinerziehenden (. .). Bei 44 Kindern in der Untersuchungseinheit wachsen knapp 40 % der Kinder im Riederwald „alleinerzogen“ auf.“


 

Ein geringer Motorisierungsgrad der bestehenden Wohnbevölkerung kann Voraussetzung dafür sein, dass die vorhandene Wohnumfeldqualität eines Gebiets erhalten bleibt. Im Bezirk Riederwald lag die PKW-Dichte in 2001 bei 441 PKWs auf 1000 Einwohner und erreichte damit nur 70 % des Wertes für die Gesamtstadt. „Die Siedlung Riederwald unterscheidet sich nach unseren Ergebnissen hinsichtlich dieses „Wohlstandsindikators“ nicht wesentlich vom Bezirk Riederwald.“ Der Wert weist auf die Einkommenssituation sowie auf die gute Lage der Siedlung.

Die Nähe zum Arbeitsplatz begründet auch die Annahme besonders enger Beziehungen zum Wohngebiet. Die Ergebnisse zur Wohnzufriedenheit (s.u.) in der Siedlung zeigen, dass der Lage im Stadtraum und dies besonders im Verhältnis zu Arbeits- und Ausbildungsstätten eine hohe Bedeutung für die Bewohner der Riederwaldsiedlung zukommt.

Die subjektive Bindung der Bewohner zu ihrem Gebiet gilt ebenfalls als Hinweis auf die Schutzwürdigkeit. Die Erhebung ergab eine beachtliche Zufriedenheit mit der Siedlung Riederwald sowohl hinsichtlich des Wohnumfeldes, der Lage (zu Arbeits- und Ausbildungsstätte), der Verkehrsanbindung, als auch in Bezug auf die Ausstattung mit sozialen Infrastruktureinrichtungen.

 

Eine Vielzahl von sozialen Beziehungen in einem Gebiet stellt ein Geflecht dar, das insbesondere für die Sozialisation von Problemgruppen unersetzlich ist. Für das Satzungsgebiet wird dieser Indikator folgendermaßen bewertet: „Das Wohnen in der Siedlung (. .) hat eine hohe Qualität durch die großzügigen Freiflächen, die Zugänglichkeit der halböffentlichen Räume und der Möglichkeiten sozialen Lebens sowie die verkehrlich sehr ruhige Lage sowie die Erreichbarkeit des Parks. Für einen Großteil der Bewohner der Siedlung Riederwald ist die Wohnumfeldqualität von außerordentlicher Bedeutung. Es sind dies insbesondere Ältere und Haushalte mit Kindern. Dieses Angebot an wohnungsnahen Freiflächen und Erholungsmöglichkeiten und die Möglichkeiten zur Pflege sozialer Kontakte außerhalb des Wohnbereichs ist aber ebenso wichtig für die mittleren Altersgruppen, zumal die räumliche Mobilität eines Großteils der Bewohner des Riederwalds (siehe geringe PKW-Dichte) eingeschränkt ist. (. .) Daraus kann man eine hohe Bindung der Bewohner zum Gebiet als selbst rationalisiertem Wohnstandort schließen. Es ist zu erwarten, dass eine Verdrängung der Bewohner in andere Stadtteile dazu führen würde, dass diese Bezüge neu organisiert werden müssten. In Konsequenz der beschränkten Mietzahlungsfähigkeit wird es für einen Großteil Betroffener bei einem Verlust der Wohnung im Riederwald nicht möglich sein, die räumlichen Bezüge von Wohnung und Arbeitsstätte und sozialer Infrastruktur in ähnlicher Weise zu optimieren.“

Die Riederwaldsiedlung hat trotz erheblicher Mängel der Bausubstanz eine hohe Wohnqualität. Die Bewohner der Siedlung identifizieren sich in hohem Maße mit der Siedlung. Dies wird nicht zuletzt an den Eigenleistungen und Investitionen der Mieter in den Wohnungsbestand deutlich.

In der Zusammenfassung der Wohnsituation ergibt sich aus der Mieterbefragung, dass ein überproportionaler Anteil der Siedlungsbewohner im Verhältnis von Haushaltseinkommen und Miethöhe auf diesen preiswerten Wohnraum angewiesen ist, d.h. auf die Erhaltung eines Wohnungssegments dieser Preisklasse.


C. Ziele der Erhaltungssatzung


Ziel der Satzung ist, das Gesamtensemble zu erhalten und die Wohnfunktion für untere und mittlere Einkommensgruppen zu schützen.

1. Es soll sichergestellt werden, dass die vorhandene Bausubstanz in ihren erhaltenswerten Teilen sowohl hinsichtlich ihrer baulichen Gesamtstruktur als auch hinsichtlich ihrer baulichen Gestaltung erhalten bleibt. Die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen und ihre technische Ausführung sollen die Erhaltung typischer Gestaltungselemente gewährleisten. Gestaltungs- und Entwurfsqualitäten müssen auch bei in Einzelfällen möglichen Wohnungszusammenlegungen erhalten bleiben.

2. Mit der Erhaltungssatzung soll vermieden werden, dass durch Rückbau, Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung nachhaltig verändert wird. Sowohl eine umfassende Modernisierung als auch ein Abbruch von Wohngebäuden könnten zu Strukturveränderungen mit nicht absehbaren städtebaulichen Folgewirkungen führen, wie folgende Beispiele zeigen:

- Die Aufwertung und Umwandlung der Wohnungen würde zu einschneidenden Veränderungen des städtebaulichen und baugestalterischen Erscheinungsbildes der Siedlung führen. Mit Zuzug einkommensstärkerer Bevölkerungskreise in das Satzungsgebiet wäre eine Erhöhung des jetzt unterdurchschnittlichen Motorisierungsgrads verbunden, die Um- und Neubaumaßnahmen erforderlich machen könnten.

- Durch die Erhöhung des Motorisierungsgrades ginge die kleinteilige Struktur der Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe mit ihrer städtebaulichen Mittelpunkts- und Versorgungsfunktion verloren, da sie von den Bewohnern nicht mehr entsprechend genutzt würden.

- Auch würde durch solche Maßnahmen eine Bevölkerung verdrängt, die sich mit der Siedlung offensichtlich sehr verbunden fühlt. Dies könnte sich negativ auf die Erhaltung und Gestaltung der wohnungsbezogenen Außenanlagen auswirken.

Modernisierungsmaßnahmen, die den Wohnungsbestand lediglich auf einen zeitgemäßen/allgemein üblichen Standard bringen und dabei eine durchschnittliche Ausstattung nicht überschreiten, tragen zum Erhalt der vorhandenen Bevölkerungsstruktur bei. Einer Beurteilung des zeitgemäßen Ausstattungszustands liegt der das Erhaltungsgebiet prägende Standard der Wohnnutzung zugrunde.

 

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